Die Grabanlage des Sen-nefer (TT96A/B)

Umgebung
[Abb. S24] Ein Blick vom Grab auf die Taltempel von Ramses II (Ramesseum)

Die Grabstätte des Sen-nefer (TT96 A-B) liegt an hervorgehobener Stelle im Berghang von Scheich Abd el-Qurna. Die besten Künstler ihrer Zeit hatten sich hier eine Ader besonders guten Kalksteins ausgewählt und ließen sich zu wahren Meisterwerken inspirieren. Hier befinden sich die Grabanlagen mehrerer hoher Beamter, die gleich Sen-nefer zur Zeit Amenophis' II. in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts v. Chr. gelebt haben. In der Nähe des Herrschers beigesetzt zu werden, bedeutete ein großes Privileg und auch die Zuteilung einer derartigen Begräbnisstätte war stets nur als königliches Geschenk denkbar. Wer um bestimmter Verdienste willen beim König ganz besonders angesehen war, konnte darüber hinaus aus gleicher Quelle noch einen Teil der Grabausstattung erhalten. Alle hier Beigesetzten gelangten aber in den Genuss königlicher Totenopfer. Als zu Beginn der 18. Dynastie Theben zur Hauptstadt des Reiches erhoben wurde, wählten die Pharaonen das nachmalige so genannte "Königsgräbertal" zur letzten Ruhestätte. Überragt wird das Gebirgsmassiv vom "el-Qurna" genannten Gipfel, Residenz der "Herrin, die die Ruhe liebt", der Göttin Meret-seger.

Die Grabarchitektur machte damals große Wandlungen durch, jedoch verharrte der Glaube in den traditionellen Vorstellungen. Während man die Königsgräber gleichsam in die natürliche Pyramide des Gipfels der Westberge verlegte, errichtete man die zugehörigen Totentempel in der Ebene vor dem Gebirge, am Rande des Fruchtlandes. Dementsprechend legten dann auch die Beamten und Höflinge ihre Gräber, die "Stätte der Ewigkeit", in königlicher Nähe im Fels des südöstlichen Bergrückens an. Folgen dieser Gräber im Grundriss mehr oder minder dem gleichen Muster, so weichen sie doch in den Größenabmessungen erheblich voneinander ab, und das Grab des Sen-nefer gehört zu den größten. Seine Anlage besteht aus einer großen Kultkammer in der üblichen Gestalt eines umgekehrten "T", das heißt aus Quer- und Längsraum. An der Südseite des Vorgelagerten Hofes liegt der Eingang zur Grabkammer. Seine Darstellung, insbesondere die Wiedergabe von Weinstöcken, die große Teile der Decke überziehen, machten die Grabkammer weithin als "Grab mit der Weinlaube" bekannt. Die höher gelegenen Kapellenräume hatten zunächst lange als Familienbehausung sowie als Scheune und Stall gedient, so dass die Wandmalereien in diesem Bereich heute weitgehend zerstört sind. Der Vorplatz hat noch stärker gelitten, so dass man sich kaum noch vorstellen kann, wie die Gesamtanlage einst ausgesehen hat. Den Eingang zur Kultkammer hatte in pharaonischer Zeit eine kleine Pyramide aus luftgetrockneten Nilschlammziegeln akzentuiert, ein ursprünglich nur dem König vorbehaltenes Sonnensymbol, das nun im Neuen Reich auch von nichtköniglichen Personen usurpiert worden war. Ein Pyramidion aus Stein mit einer Darstellung der Sonnenverehrung bildete den krönenden Abschluss. Mehrere Lagen so genannter Grabkegel aus Ton, auf der Unterseite mit Namen und Titeln des Grabherrn versehen, bildeten im Oberteil der Grabfassade und der Pyramide einen Fries im Verbund mit dem Ziegelmauerwerk. Eine Stelle neben dem Eingang sowie farbig angelegte Sand- und Kalksteinornamente vervollständigten den Fassadenschmuck. Den Hof umgab eine Mauer aus ungebrannten Ziegeln mit Abdrücken des königlichen Siegels. Heute sind die Grabzugänge meist durch Türen oder Metallgitter verschlossen, wobei eine Mauer aus aufgeschichteten Steinen zur besseren Sicherung gegen Grabräuber dient. Am Fuße des Hügels schützen Zementblöcke die Grabeingänge gegen Steinschlag. Darüber hinaus aber gibt es noch immer eine ganze Reihe verwüsteter Grabanlagen, die entweder als Hausbestandteil der Bewohner von el Qurn dienen oder deren Fassaden ungeschützt dem gleißenden Sonnenlicht preisgegeben sind. Während das Bildprogramm der Grabkapellen, überreich an Details, eine der umfänglichsten Quellen für das Verständnis religiöser Riten, wirtschaftlicher Vorgänge, des Räderwerks der Verwaltung, mit einem Wort der Gesellschaft bildet, der Gesellschaft einer der wohl glänzendsten Epochen altägyptischer Geschichte, wurden die Grab- und Sargkammern im allgemeinen nicht ausgeschmückt. Vielmehr füllte man die Schächte nach der Beisetzung mit Schutt auf, so dass dieser Teil der Grabanlage schwer zugänglich blieb. Schon aus diesem Grund, als Ausnahme von der Regel, verdient die Sargkammer des Sen-nefer besondere Beachtung, ja, sie ist beinahe einmalig; denn aus der 18. Dynastie kennen wir insgesamt nur noch eine weitere bemalte Grabkammer, und zwar die des Schreibers Amen-em-het (TT82) aus der Regierungszeit Tuthmosis III. Zum Unterschied vom Grab von Amen-em-het’s, ist der Eingang zum unterirdischen „privaten“ Grab Sen-nefer‘s baulich komplett von der „öffentlichen“ Kapelle getrennt. Mit seinem Eingang im Kulthof erinnert das Grab von Sen-nefer in seiner räumlichen Zuordnung von Grab und Kapelle an eine Mastaba der mittleren 5. bis mittleren 6. Dynastie. Als Beispiel kann hier die Mastaba des Ti in Saqqara, der unter der Herrschaft des Pharao Niuserre gelebt hat, genannt werden1. Bei beide Grabanlagen liegt der Eingang im Kulthof und im Osten der eigentlichen Grabkammer. Ebenso liegt die Kapelle, in der die rituellen „öffentlichen“ Totenopfer durchgeführt wurden, im Westen der Grabkammer mit einer Scheintür als Verbindung zur Grabkammer für den Toten. Bei der Architektur der Räume und beim Bildprogramm hielt sich Sen-nefer aber wieder genau an den Vorgaben und den Geschmack der damaligen Zeit.
Wir wissen, dass es zur Zeit Amenophis II. / Tuthmosis IV.  zu einer Renaissance und zur einer Rückbesinnung auf alte Werte gekommen ist. Davon zeugt unter anderem die Traumstele Tuthmosis IV. und die Wiederherstellung der Sphinx in Gizeh. Vielleicht hat sich auch Sen-nefer bei seiner Grabanlage von den alten Mastabas inspirieren lassen.

Nach dem das Grab des Sen-nefer anscheinend schon in der Antike besucht wurde, was durch ein Graffiti eines Alexandros belegt ist, wurde es durch den Engländer Robert Hay im Jahre 1826 wiederentdeckt. Dabei hat Hay Zeichnungen von der Felskammer angefertigt, die sich heute im British Museum in London befinden. 1898 wurden sie dann unter Beifügung von Plänen von dem Ägyptologen Philippe Virey zum ersten Mal publiziert. Leider ist trotz dieser Publikationen unbekannt, in welchem Zustand das Grab ursprünglich angetroffen wurde und ob dabei nicht z. B. auch Reste der Grabausstattung zutage gekommen sind. Dass der Wandschmuck der Grabkammer des Sen-nefer weitgehend unzerstört blieb, verdankt er wahrscheinlich seinem Anbringungsort in der Tiefe der Felsen. Grabräuber auf der Suche nach Amuletten oder Verbindungsschächten zu anderen Räumen zerschlugen nur Teile der West- und Südwand; geringfügigere weitere Beschädigungen erfolgten nach 1900.

Waren Sen-nefer und seine Gattin nun tatsächlich in dieser Grabkammer beigesetzt? Diese Frage stellt sich, nachdem eine Entdeckung im Königsgräbertal im Jahre 1900 begründete Zweifel daran aufkommen lässt. In dem unvollendeten Grab KV42, das anscheinend für die Gemahlin Tuthmosis III., Hatschepsut-Meritre vorbereitet, in dem sie aber nicht bestattet war, hatte man damals Kanopenkrüge der königlichen Amme Senet-nai, der Gattin des Sen-nefer, ferner Fragmente einer Grabausstattung für die königliche Favoritin Baket-re, eine Reihe von Gefäßen mit den Namen des Sen-nefer und der Senet-nai, eine Goldrosette mit Einlagen aus blauer und grüner Glaspaste sowie rotem Jaspis und schließlich einige Reste Blattgold gefunden. Teile der Holzsarkophage und der Schlitten, auf denen sie gestanden hatten, waren soweit zerfallen, dass sich nur noch feststellen ließ, dass zumindest einer der Sarkophage mit Einlagen aus Elfenbein ausgestattet worden war. Analog seinem Bruder, dem Wesir Amen-em-ope, den man in Grab KV48 im Königsgräbertal bestattet hatte, war ihm wohl auch Sen-nefer in das Königsgräbertal gefolgt. Anscheinend hatte auch er sein anmutiges Grab in Sheik Abd el Qurn aufgegeben, um von der ungewöhnlichen Gunst des Königs, der Bestattung in einem, wenn auch bescheidenen, Grab im Tal der Könige Gebrauch zu machen. Näher hätte er seinem Herrscher kaum noch sein können.

Skizze TT96A/B
[Abb. S25] Skizze des oberirdischen und unterirdischen Teil vom Grab

Durch die große Popularität des Grabes und die dadurch hohe Anzahl an Besuchern sah sich die ägyptische Altertumsverwaltung gezwungen das Grab vor allem aber die Malerei, zu schützen. Um aber den vielen Besuchern aber weiterhin die Möglichkeit zu geben das Grab zu besichtigen wurde die Bilder mit Glas vor den Besuchern gesichert. Unten ein Bild von aus dem Jahre 2005. Gut zu sehen ist auch die Beleuchtung der Malerei in der Grabkammer.

Vorraum
[Abb. 26] Sen-nefer und Senet-nofret betend mit Sistrum und menat

Literatur: [1] Peter Jánosi: "Die Gräberwelt der Pyramidenzeit", Zaberns Bildbände Zur Archäologie (2006) p. 101; "Sen-nefer Die Grabkammer des Bürgermeisters von Theben" (Verlag Philipp von Zabern 1986)

Danke an Peter Brückner für sein aktuelles Foto aus dem Grab [Abb. S26] zu dieser Seite.